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Vor fast dreißig Jahren wurden Kleinkläranlagen gebaut – nun kommen sie in die Jahre

Nach der Wende war alles neu und wir mussten uns in viele neue Blickrichtungen einarbeiten. So auch in eine andere Abwasserbehandlung. Alle Bürger, die nicht an dem zentralen Kanal in Beelitz hingen, suchten neue Wege. Die meisten führten – ob aus Überzeugung oder durch Anschluss- und Benutzungszwang erstritten – zum Kanalanschluss. In Beelitz sind fast alle Ortsteile an den Abwasserkanal angeschlossen, eine Maßnahme, die heute in der Klimakrise und der sich abzeichnenden Wasserkrise bedenkenswert erscheint.

Die Kleinkläranlagen der neunziger Jahre, die eine technische Lösung der Nutzwasserreinigung war, sind heute zum Teil überholungsbedürftig.  Und wie bei jeder Maschine muss auch hier überlegt werden: Wie gehe ich weiter vor, saniere ich oder baue ich etwas anderes, etwas, was auch in der Zukunft Bestand hat? Baue ich eine technische Kleinkläranlage oder eine Pflanzenkläranlage?

Die Wirkungsweise einer Pflanzenkläranlagen ist einfach zu erklären:

Ein mit Schilf und anderen Sumpfpflanzen bewachsener Boden ist mit Folie gegenüber dem Erdreich abgedichtet. Das häusliche Abwasser gelangt über Rohrleitungen in das Schilfbeet und wird dort über Drainagerohre im Boden gleichmäßig verteilt. Anschließend durchfließt das Abwasser den Bodenkörper. Dabei wird das Abwasser vorrangig über natürliche Bodenbakterien, die sich gern in den Wurzeln des Schilfs ansiedeln, gereinigt. Die Hauptaufgabe der Schilfpflanzen besteht hauptsächlich darin, den Bodenfilter offen zu halten. Weil die Reinigung ausschließlich im Boden erfolgt, sind Geruchsbelästigungen praktisch ausgeschlossen, Das gereinigte Abwasser wird im Auslauf wieder über Drainagerohre gesammelt und über Rohrleitungen aus dem Pflanzenbeet abgeleitet – entweder in einen Gartenteich oder es versickert im Untergrund.

Als Fläche für das Schilfbeet benötigt man je nach Verfahren (vertikaler oder horizontaler Durchfluss) 3 – 5 m² pro Person, die Beete können ohne Probleme für bis zu 50 Einwohnern ausgelegt werden. Die insgesamt benötigte Fläche kann auch aufgeteilt und so ganz individuell dem Garten angepasst werden. Für eine Pflanzenkläranlage benötigt man wenig Strom für die Schredderpumpe. Alles andere erfolgt mechanisch und ohne Hilfe von außen. Ich muss aber darauf hinweisen, dass das Schilf im Frühjahr abgeschnitten werden sollte, damit es neu austreiben kann.  Einen weiteren Nachteil als diese körperliche Betätigung kann ich nicht erkennen, und dieser Nachteil ist ein Vorteil.

Auch die vollbiologische Kleinkläranlage hat ihre Vorteile: Ich muss mich um nichts kümmern, das Nutzwasser aus dem Haus geht in die Sammelgrube (Dreikammergrube), in der ersten Kammer lagern sich die Feststoffe ab und faulen aus. Das Klarwasser wird in die zweite Kammer gepumpt wo sich weitere Sedimente abscheiden, die Nachklärkammer wird über einen Überlauf gefüllt und das gereinigte Abwasser kann dann abfließen oder abgepumpt werden. Die erste Kammer (ausgefaulte Feststoffe) werden gelegentlich nach Notwendigkeit abgesaugt und in die Kläranlage transportiert.

Die Kleinkläranlage ist deutlich besser als eine abflusslose Sammelgrube, und die technische Anfälligkeit der Kleinkläranlagen ist durch die Vielzahl der Pumpen höher als bei der Pflanzenkläranlage, die mit einer auskommt. Die Pflanzenkläranlage vererdet die Feststoffe, die frühestens nach zehn Jahren herausgenommen werden müssen und im Garten verwendet werden können.  Die Kleinkläranlage liefert die Feststoffe in die zentrale Kläranlage. Ich würde mich heute immer noch für eine Pflanzenkläranlage entscheiden.  

In den nicht an das Abwassernetz angeschlossenen Ortsteilen Reesdorf, Schäpe und Salzbrunn finden wir große Grundstücke. Der Platz für ein Pflanzenkläranlage findet sich dort bestimmt, denn eine abflusslose Sammelgrube benutzen Sie ja jetzt, die lässt sich umrüsten. Bevor Sie Ihre Kleinkläranlage sanieren oder nachrüsten und sich binden – erwägen Sie eine Pflanzenkläranlage. Sie wird von einer Firma errichtet, man kann sie aber auch in Eigenleistung errichten. Eine fachkundige Firma, die dann auch regelmäßig die Wasserproben entnimmt, sollte dabei sein. Eine wasserrechtliche Erlaubnis ist für den Betrieb notwendig, aber das wissen Sie ja von Ihrer Kleinkläranlage.  Ich wünsche Ihnen Erfolg bei Ihren Überlegungen. Ich kann Ihnen eine Firma auf Nachfrage benennen, Sie sollten sich tiefgehend informieren und beraten lassen. In diesem Sinne: Wasser schenkt Leben. Ein guter Freund beschrieb den Zusammenhang zwischen Wasser und Energiewende folgendermaßen: „Beides gehört zusammen, Energiewende zu 100% erneuerbare Energien und ein gesunder Wasserhaushalt. Denn sonst erzeugen wir Strom aus erneuerbaren Energien und stecken trotzdem in der Klimakrise, weil wir das Wasser vergessen haben.“

Dr. Elke Seidel, Umweltmedizinerin, Beelitz, 1.06. 2021

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