Ihnen ist in den letzten Tagen das Amtsblatt der Stadt Beelitz Nr. 10 vom 24.11.2021 ins Haus geflattert. Was Ihnen ins Auge springt, ist die erste Seite, die farblich anders aussieht. Zum Text dieser ersten Seite erlaube ich mir, meine Meinung dazu zu äußern.
Bemerkungen zum Text auf Seite 1 des Amtsblattes 10/2021
Seit dem ersten Erscheinen der „Beelitzer Nachrichten“ 1990 habe ich mit Überzeugung bis zu meinem Ausscheiden das Erscheinen dieser Ortszeitung wesentlich mitverantwortet. Von 1990 bis 2008 war ich Hauptamtsleiter der Stadtverwaltung Beelitz. Anlass für die Gründung eines eigenen Blattes war das vielschichtige Informationsinteresse, dass die Beelitzer nach der Wende 1989/1990 hatten. Die ersten Möglichkeiten, sich zu artikulieren, waren drei Anschlagtafeln im Ortsgebiet. Das regelmäßige Erscheinen der Ortszeitung sollte eine einheitliche, für alle verfügbare Tribüne für die Meinungsäußerung der Einwohner sein. Keine Meinung sollte unterdrückt werden.
So war das all die Jahre, auch sachlich nicht fundierte Äußerungen zum Handeln der Verwaltung wurden geduldet. Darauf bestand insbesondere die Stadtverordnetenversammlung, und der Bürgermeister als Organ der Stadt hat dies, sicher manchmal zähneknirschend, akzeptiert. Das war für mich Ausdruck einer lebendigen Demokratie, keine Meinung wurde unterdrückt, kein Meinungsäußerer wurde öffentlich diffamiert. Zu dieser Verhaltensweise stand ich dauerhaft.
Oft machten uns gesetzliche Vorschriften das Leben nicht leicht. So kam es endlich dazu, dass wir die „Beelitzer Nachrichten“ vom „Amtsblatt“ auch physisch trennen mussten. Das Amtsblatt erschien zumeist als separater Einleger – OHNE HEFTUNG -. Warum man diese Praxis aufgegeben hat, verstehe ich nicht. Ich hatte vermutet, dass es neue Vorschriften gäbe.
Dass dem nicht so ist, bestätigt die Kommunalaufsicht und bietet zugleich die Lösung des aktuellen Problems an:
Alles klar und deutlich beschrieben – oder?
Was soll dann diese überzogene Reaktion einer „Die Redaktion“ im neuen Amtsblatt Nr. 10/2021, wonach die „Beelitzer Nachrichten“ gar nicht mehr gedruckt werden? (Mal abgesehen davon, dass „Die Redaktion“ gar keine Zeitung herausgegeben hat, laut Impressum ist Herausgeber der Bürgermeister, er trägt die Verantwortung und hat den Text und das Vorgehen vielleicht sogar sanktioniert. Warum hat er nicht auch als Herausgeber unterschrieben?)
Noch eine Randbemerkung, bevor ich das Vorgehen, das die Kommunalaufsicht so NICHT empfohlen hat (siehe obiges Faksimile), kommentiere: Die Veröffentlichung des redaktionellen Textes auf Seite 1 unter der Überschrift „Öffentliche Bekanntmachungen“ ist eben KEINE öffentliche amtliche Bekanntmachung, denn „Die Redaktion“ als Autor ist nicht zu amtlichem Handeln berechtigt. Folgerung: Diese erste Seite ist ein Verstoß gegen die Bekanntmachungsverordnung und führt zur Nichtigkeit aller auf den Seiten 2 bis 8 erfolgten amtlichen Bekanntmachungen in diesem Amtsblatt. Guter Rat: Eine erneute Bekanntmachung ohne die erste Seite könnte das heilen.
So, nun zum Versuch der Deutung, warum die Hinweise der Kommunalaufsicht nicht umgesetzt wurden, sondern das Informationsblatt für die Beelitzer eingestellt wurde.
Versuch 1:
Die Verwaltung spart Geld für das Zeitungsdrucken. Als ich noch zuständig war, war es mein Bestreben, die „Beelitzer Nachrichten“ kostenneutral herauszugeben. Das ist auch im vollen Umfang geglückt, die Zeitung hat die Stadt nichts gekostet. Einnahmen aus Anzeigen haben die Ausgaben gedeckt. Das ist heute offenbar nicht mehr so. Aber im Stadthaushalt ist das wohl nur eine geringe Position, „Peanuts“.
Versuch 2:
Sollen eine oder mehrere Personen, die für die Verwaltung auf Grund ihrer kritischen Haltung lästig sind, mal so richtig maßgenommen werden, indem man ihnen das Einstellen des gedruckten Stadtblatts anhängt? Das wäre aus dieser Sichtweise eine sehr wirksame Maßnahme: Vermutlich viele Einwohner der Stadt werden die gedruckte Ausgabe vermissen, wer schuld daran ist, kann man leicht aus dem Text im aktuellen Amtsblatt schlussfolgern.
Ich mag diese Deutung nicht, kann mir auch nicht vorstellen, dass es beabsichtigt war, ein langjährig ehrenamtlich zum Wohle der Stadt tätiges Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, der zudem immer energisch für das umfassende Informationsrecht der Einwohner eingetreten ist, beschädigen zu wollen.
Aber es bleiben Zweifel:
* Wieso gibt es „Menschen in Beelitz, die unsereArbeit äußerst ablehnend betrachten“ (wer ist „wir“, die Redaktion? Auf Grund der textlichen Aussagen setze ich das doch mal mit der Verwaltung gleich). Ist ein kritisches Hinterfragen des Verwaltungshandelns, also Ausübung der demokratischen Rechte, tatsächlich eine Art Majestätsbeleidigung? Ist das tatsächlich „ständige Stichelei“, wie im Text des Amtsblatts unterstellt?
* Noch deutlicher wird das in dem Nebensatz „… und regelmäßig übergeordnete Stellen anrufen, um diese Arbeit überprüfen zu lassen …“
Ist eine Überprüfung von nicht transparenten Sachverhalten etwas so Schlimmes? Es ist aus meiner Sicht sogar die Pflicht, zweifelhafte Sachverhalte aufzuklären oder aufzuklären lassen.
* Noch schlimmer dann das Ende des zweiten Absatzes. Hier äußert sich eine aus meiner Sicht zutiefst zweifelhafte Sichtweise des Verwaltungshandelns nach dem Motto: Die Verwaltung könnte so gut arbeiten, wenn es die lästigen, nachfragenden Einwohner nicht gäbe. Nein: Die Verwaltung ist Dienstleister für den Einwohner und hat derartige Ansichten tunlichst zu vermeiden. Ich habe es in meiner aktiven Zeit immer gehasst, wenn Türen an Sprechtagen verschlossen waren oder die Telefone leise gestellt wurden.
* War das Einstellen der „Beelitzer Nachrichten“ in gedruckter Form tatsächlich alternativlos, wie es im Text suggeriert wird?
Die Verwaltung ist dazu verpflichtet, nach Recht und Gesetz zu handeln. Eigentlich hätte sie es wissen und prüfen müssen, ob die Argumentation im Urteil des Bundesgerichtshofs auch auf die Herausgabe der „Beelitzer Nachrichten“ zutrifft. Dafür wird die Verwaltung schließlich bezahlt, das muss der Einwohner von ihr erwarten können (wertet eigentlich noch jemand in der Verwaltung aktuelle Gerichtsurteile aus?). Wenn nun „jemand, der in Beelitz auch politische Verantwortung trägt“ darauf hinweisen muss, dass vielleicht ein Gerichtsurteil Auswirkungen auf das Verwaltungshandeln (ich setze mal wieder „Verwaltung“ mit „Die Redaktion“ gleich), so sollten die Verantwortlichen dafür dankbar sein und ihr Handeln entsprechend anpassen, anstatt diesen „jemand“ als Buhmann und als den Schuldigen dafür hinzustellen, dass das Stadtblatt nicht mehr gedruckt wird. Ich nenne das: Dolchstoßlegende.
Nun zur möglichen Handlungsalternative.
Ich halte die Handlungsweise von „die Redaktion“ bzw. der Verwaltung für überzogen und für nicht verhältnismäßig. Das Gerichtsurteil bindet erstmal nur die Prozessbeteiligten. Ob es nach Prüfung der urteilsbegründenden Sachverhalte zu einem ähnlichen Urteil im Fall der „Beelitzer Nachrichten“ kommen würde, möchte ich anzweifeln. Da viele Kommunen in ganz Deutschland solche Informationsblätter herausgeben, ist eine derartige Prüfung wohl Gegenstand zentralerer Verwaltungsorgane als der Stadtverwaltung Beelitz. Da alle diese rechtsrelevanten Prozesse Wochen, Monate, gar Jahre dauern würden, hätte eine vernünftige Verwaltung das Stadtblatt in der bisherigen Form weiter herausgegeben und hätte in Ruhe – zur Sicherheit – alternative Herausgeber gefunden. Ich jedenfalls hätte das so gemacht.
Wurden also doch andere Ziele, als Rechtssicherheit herzustellen, mit diesem Handeln verfolgt? Ich mag es nicht glauben.
Dr. Rudolf Seidel